Kunst aus dem Knast

Das alte Köpenicker Gefängnis am Mandrellaplatz wird zur Bühne

Ein Virus setzt die Menschheit fest. Kann man frei sein, obwohl man eingesperrt ist? Das ehemaliges Gefängnis aus der Kaiserzeit wird der Ort für ein außergewöhnliches Kunstexperiment der ARTHELPS gGmbH.

JAILSESSIONS

66 Künstlerinnen und Künstler sind nacheinander eingesperrt in jeweils einer der 66 Zellen: Musiker, Maler, Bildhauer, Tänzer, Schauspieler. Sie alle gehen für dieses Projekt hinter Gittern. Eine Stunde lang Kreativität in Isolationshaft – und ARTHELPS überträgt ihr Werk live über Mikros und Kameras. Wir können sie sehen, sie uns aber nicht.

Das Experiment läuft zweigleisig: In getrennten Zellen sitzen in einer #JailSession jeweils zwei Künstlerinnen und Künstler aus unterschiedlichen Disziplinen. Auf der einen Seite entsteht etwas Visuelles, für die Kamera Sichtbares – auf der anderen der musikalische Soundtrack dazu.

Ein Cellist spielt Bach, elektronische Beats durchdringen das Gemäuer, eine Malerin haucht den kargen Wänden Leben ein, Kinder bespielen den Zellenboden mit Kreide. Bekannte wie unbekannte Künstlerinnen und Künstler suchen in diesem ARTHELPS-Projekt einen Fluchtweg aus der Gefangenschaft. Sie verwandeln die Haftanstalt in einen Ort der Freiheit.

Jeweils zwei Künstlerinnen und Künstler kommen jeden Mittwoch und Donnerstag nacheinander zwischen 17 und 19 Uhr in eine Zelle – und können im Live-Stream beim Kreationsprozess beobachtet werden. Die Live-Sessions werden mit mehreren Kameras gefilmt, allerdings immer nur durch eine Perspektive live übertragen. Aus zusätzlich gedrehtem Material und Kurzinterviews mit den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern werden später kurze Porträts und Highlights der Sessions geschnitten und veröffentlicht.

Am Donnerstag, den 30. April, spielt ab 17 Uhr Martin Rott, Neoclassic und Electronics und Saryta Dey mit transmedialer Kunst. Ab 18 Uhr tritt dann der Singer Songwriter Like Mint auf.

Das Gefängnis liegt am Mandrellaplatz in Köpenick und wurde zu Kaiserzeiten errichtet. Nazis quälten hier im Jahr 1933 während der Köpenicker Blutwoche Andersdenkende. Während der DDR Zeit mussten in diesen Zellen Republikflüchtlinge einsitzen. Seit Mitte der 60er Jahre stand der Knast leer. Seit 1980 erinnerte eine Ausstellung an den NS-Terror. Diese wurde 1995 erstmals verändert, im Jahr 2013 wurde die Gedenkstätte „Köpenicker Blutwoche“ komplett umgestaltet.

Doch größtenteils ist im Gefängnisbau alles noch wie damals: Die Gitterstäbe, die Backsteinfassade, die Gucklöcher in die Zellen und auch die Holzpritschen sind geblieben. Nur die Farbe blättert mittlerweile von den Wänden ab. Ein außergewöhnlicher Ort für ein außergewöhnliches Kunstprojekt in einer außergewöhnlichen Zeit.

Ziel des Veranstalters ARTHELPS gGmbH ist es, Spenden für einen Workshop in einem Flüchtlingscamp zu sammeln.

Quelle und Foto: Arthelps gGmbH